2020, das Jahr der Pandemie und ihrer Herausforderung. Dabei fing das Jahr für mich gar nicht so übel an. Endlich mal nicht so viel Stress und kaum Probleme für die man Lösungen finden musste. Seit vier Jahren mein erstes ruhiges Jahr – dachte ich jedenfalls.
Dann ging es los. Es brach ein Virus aus, namens Coronavirus SARS-CoV-2, allgemein Corona genannt, aber es war ja so weit weg. Dann schwappte die Welle rüber nach Südeuropa. Für einige immer noch sehr weit weg, für mich schon ganz nah. Ich machte mir Sorgen, um meine Familie in Spanien. Ehe man sich versah, war Corona auch schon in Deutschland.
Es wurden einige Maßnahmen unternommen. Eine dieser Maßnahme fand Anfang März statt. Der Hamburger Senat hatte beschlossen, dass der Regelbetrieb der Kitas für zwei Wochen eingestellt werden sollte und so schloss die Kita meines Sohnes die Türen am 16. März 2020. Ich bin alleinerziehende Mutter eines fünfjährigen Jungen und musste während der Pandemie den Kontakt zu meinen Eltern, meine Hauptunterstützer, meiden. Im ersten Augenblick gingen mir viele Fragen durch den Kopf. Wie sollte ich das allein machen? Würde ich ins Homeoffice können? Würde das gut gehen, da sich nicht alle Aufgaben von zu Hause erledigen lassen? Müsste ich jetzt eventuell in die Kurzarbeit? Schnell haben meine Chefs mir diese Sorgen genommen und mich ins Homeoffice geschickt. Ich war sehr erleichtert und ein bisschen glücklich über diese Möglichkeit: Keine 1,5 Stunden Arbeitsweg, kein frühes Aufstehen, die Möglichkeit nebenbei eine Waschmaschine laufen zu lassen und bei gutem Wetter das Büro nach draußen zu verlagern - im Großen und Ganzen ist Homeoffice eine schöne Sache, wäre da nicht noch eine Kleinigkeit: Mein fünf Jahre alter Sohn.
Vielleicht denkt nun jemand – „ist doch das Gleiche mit oder ohne Kind!“. Nein! Ist es nicht. Alle Eltern, die ins Homeoffice gegangen sind, haben sich zwei Jobs nach Hause geholt – ihre Mitarbeit in der Firma UND die Betreuung des Kindes. Ich fühle mich in beiden Jobs sehr wohl, aber diese zur gleichen Zeit auszuführen, ist sehr stressig und nervenaufreibend. Man hört, dass Frauen sehr multitaskingfähig sind - in meinem Fall war dieses Gen auch im Lockdown.
Mein Sohn ist ein sehr aktives und sportliches Kind, das mit Basteln und Malen nichts anfangen kann. Es fiel ihm schwer, zu verstehen, dass wir wegen Corona sehr eingeschränkt sind und nicht auf den Spielplatz dürfen. Die Homeoffice-Tage waren daher ein ständiges Hin und Her. Er wollte am liebsten mit seinem Softball Fußball spielen, überall und mit Mama. In meinen Pausen haben wir ab und an mal rumgekickt, allerdings musste ich auch arbeiten. Also wurde dann gejammert und im Minutentakt versucht, mich zum Spielen zu bewegen. Es fielen typische Sätze wie „Mama! Du bist die Beste, wenn…“, „Mama! Ich habe dich nur lieb, wenn…“ oder „Mama! Hast du mich denn nicht lieb?“ Er kämpfte mit allen Mitteln – und das Gefühl, dem kleinen Mann seinen Wunsch nicht erfüllen zu können, machte mich traurig und stresste mich.
Ich habe oft versucht, dem Kleinen die Situation zu erklären: Zum Beispiel, dass er einen Moment warten muss, wenn ich telefoniere. Ich musste mich telefonisch viel mit meiner Kollegin abstimmen und genau dann hatte er das dringende Bedürfnis, mir etwas mitzuteilen. Auch beim Kundengespräch fiel ihm gerne ein, dass er Mama „was ganz Wichtiges“ sagen musste. Was war so wichtig, fragt Ihr Euch? Naja, seine Fußballmannschaft hatte ein Tor geschossen oder dass er jetzt Pfeifen kann, und so weiter.
In dieser Zeit bin ich meinen Prinzipien untreu geworden und habe ihm erlaubt, das Tablet oder die Playstation zu benutzen – denn wenn er abgelenkt war, konnte ich mich besser auf die Arbeit konzentrieren.
Ein paar Mal musste ich in die Firma fahren, um Dokumente zu drucken und die Post zu bearbeiten. Da ich in den ersten Wochen keinen zum Aufpassen hatte, habe ich meinen Sohn mitgenommen, der nach 30 Minuten auch schon wieder gehen wollte. Ich habe versucht ihn zu beschäftigen und dafür aus dem Internet diverse Bastel- und Malvorlagen heruntergeladen. Diese Vorlagen wurden nie benutzt.
Wenn man zu Hause, im Wohnzimmer am Rechner sitzt, ist der Blick aufs Kind gerichtet. Und wieder wird über die Couch getobt oder im Wohnzimmer rumgerannt, obwohl man es zum wiederholten Mal verboten hatte. Beim Meeting schaute des Öfteren sein kleines Gesicht vorbei, das neugierig gucken musste, mit wem Mama da redet. Natürlich gab es auch peinliche Momente. So hat mein Kleiner im Kundengespräch mir mitgeteilt, dass er sein großes Geschäft verrichten müsse (natürlich mit seinen Worten). Als er dann fertig war, hat er mich mit den Worten: „MAMAAA, ich bin fertig!“ gerufen. Ich versuchte, ihm leise und mit zugehaltener Sprechmuschel mitzuteilen, dass ich gleich bei ihm sein würde. Naja, was soll ich sagen, Kinder sind nicht geduldig, also wurde der Satz so lange wiederholt, bis Mama endlich da war. Mein Gesprächspartner musste am Telefon lachen und entließ mich aus dem Gespräch, damit ich meinen Mamapflichten nachkommen konnte.
Eine typische Corona-Begleiterscheinung war auch, dass mein Sohn alles, was er brauchte, sofort haben wollte. Daraus entstanden dann Gespräche wie dieses:
Er: „Ich habe jetzt Hunger! Kannst du bitte Essen machen.“
Ich: „Ein Moment, Schatz. Ich mache gleich Essen. Ich schreibe nur kurz den Satz zu Ende.“
Er: „Nein jetzt! Sonst verhungere ich und du möchtest doch nicht, dass dein Baby verhungert...“
Ja, er ist eine Drama-Queen – oder ein Drama-King. Ich merkte, wie unausgelastet der kleine Mann war. Manchmal war er schnell reizbar und aufmüpfig, weil es nicht so lief, wie er wollte, das kannte ich bei ihm nicht. Er fand es auch sehr doof, dass seine Mama da war und trotzdem oft keine Zeit für ihn hatte. Ich auf der anderen Seite wollte meine Arbeit nicht vernachlässigen, gleichzeitig sollte mein Kind nicht zu kurz kommen. Mir fiel es schwer, die richtige Balance zu finden. In der Homeoffice Zeit habe ich mich oft unter Druck gefühlt. Dank der Unterstützung meiner Schwägerin Monica, meines Bruders Daniel und Belinda, gute Freundin und Tante meines Sohnes, konnte ich mich voll und ganz auf einige wichtige Aufgaben konzentrieren.
Ursprünglich sollte die Kita zwei Wochen schließen. Daraus wurden bei mir fast drei Monate. Nun geht er vier Tage die Woche in die Kita und ich komme ins Büro. Ich genieße es, entspannt arbeiten zu könne, vermisse aber auch die Flexibilität des Homeoffice.
Noch wissen wir nicht, wie es weiter geht. Eines hat mir diese Pandemie jedoch gezeigt: Dass mein Sohn mein Held ist. Dieser kleine Mensch, der, ohne etwas zu verstehen, Einschränkungen im Alltag und meine Launen hinnimmt - und trotzdem immer fröhlich ist und mir sehr viel Liebe gibt.