Kultur gilt als die Gesamtheit geistlicher, künstlerischer und gestalterischer Leistungen, die eine Gemeinschaft hervorbringt und durch welche sie sich weiterentwickelt. Sie will gepflegt werden und äußert sich in vielem, was wir tun; wie wir reden, uns kleiden, was für Musik wir hören und was wir essen – all dies ist Ausdruck gelebter Kultur.
Stets hielt ich mich für jemanden, der aktiv um Pflege der Kultur bemüht ist. Ich ging in Museen oder ins Konzert, las Klassiker der Literatur und natürlich aß ich keine Pizza Hawaii. Insbesondere – so argumentierte ich – ist Kultur auch der Ausdruck einer historischen Entwicklung und Pizza entstammt der italienischen Küche und damit aus einem Land, in welchem es keine Ananas gibt. Darüber hinaus wäre es offenkundig ein Akt der Barbarei, klassische italienische Gerichte willkürlich mit Fremdzutaten zu entstellen.
Zu den neuen Regelterminen im subshell-Büro gehört der Pasta-Tuesday. Dem Namen entsprechend gibt es jeden Dienstag für alle Anwesenden bei Interesse frisch gekochte Nudeln. Es mag Leute geben, die von Pasta nicht besonders viel halten, aber zu denen gehöre ich nicht und daher nehme ich dieses Angebot auch regelmäßig wahr.
Und so saß ich auch eines Dienstags vor meinem Teller, gab etwas Basilikum-Pesto auf die Nudeln und überflog mit meinen Augen den Tisch. Da sah ich, wie jemand das Essen statt mit geriebenem Käse mit Röstzwiebeln überstreute. Eigentlich ja geradezu absurd, schließlich aßen wir ja italienische Pasta und keine Hotdogs oder schwäbische Spätzle, aber aus fehlgeleiteter Neugier heraus probierte ich das auch aus. Eigentlich wusste ich natürlich, dass es falsch war, Röstzwiebeln gehören nicht zu Pasta und Pesto, aber in diesem Moment kamen mir diese knusprigen Röstzwiebeln wie die optimale Ergänzung vor.
An den nachfolgenden Dienstagen wurden dann die Röstzwiebeln immer wichtiger und erfreuten sich allgemeiner Beliebtheit, auch bei mir. Ursprüngliche Vorbehalte bröckelten schnell. Röstzwiebeln mit Pasta sind gut, egal, was Traditionalisten denken. Röstzwiebeln sind gut, zu allem, Röstzwiebeln sind gut für mich.
Da sie so köstlich knusprig sind, kann ich leider keine tolle Musik mehr hören. Das Knuspern ist zu laut. Außerdem bin ich in Museen gar nicht mehr erwünscht, wenn ich nebenbei ein paar Röstzwiebeln vor mich hin knuspere. Das ist schade, aber verschmerzbar. Dann gehe ich eben nicht ins Museum.
Seit die Krossheit sich mir offenbarte, habe ich erkannt, was wichtig ist. Früheren Überzeugungen habe ich abgeschworen.
Der Dienstag komme, das Pastaessen geschehe, in Ewigkeit.
Amen.